FAZ vom 13.05.2008

Seitenüberschrift: UNTERNEHMEN
Ressort: Wirtschaft
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.05.2008, Nr. 110, S. 26


Management

Stiefkind interne Kommunikation

Wer kennt dies nicht? Sitzungen, die nicht enden wollen und an deren Ende kaum Fassbares beschlossen wurde. Die tägliche Mailflut, die Zeit frisst und wenig bewirkt. Die interne Kommunikation erstickt in der Routine und verdrießt Geführte und Führende.

Von Guido Wolf

Unglaubwürdig, zu langsam, ineffizient: Die Urteile von Führungskräften wie Mitarbeitern fallen ungnädig aus, wenn es um interne Kommunikation geht. Wer interessiert sich noch für die ewigen Erfolgsgeschichten über Projekte, wie sie sich fortwährend in der Mitarbeiterzeitung oder im Intranet finden? Wer hat nicht schon in kaum vorbereiteten, schlecht geleiteten und vor allem folgenlosen Besprechungen seine Zeit vertan? Wer wird der Flut seiner Mail-Eingänge noch Herr? Solche Klagen über den Stand der unternehmensinternen Kommunikation werden nicht selten durch Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen bestätigt, die auf erhebliche Mängel im Informations- und Kommunikationsgeschehen hinweisen.

Längst ist es zum Allgemeinplatz geworden, eine funktionierende interne Kommunikation zum Schlüssel für Unternehmenserfolg zu erheben. Doch genauere Blicke zeigen, dass die absichtsvoll herbeigeführte, professionell initiierte Kommunikation innerhalb der Unternehmen zumeist auf die Gestaltung der internen (Massen-)Medien wie Mitarbeiterzeitung, Intranet oder die Inszenierung von Betriebsfesten begrenzt bleibt, üblicherweise verantwortet von einer zentralen Kommunikationsabteilung. Zwischen Medienarbeit und Massenkommunikation auf der einen Seite und dem individuellen, allzu oft urwüchsigen und zufallsgesteuerten Kommunikationsverhalten auf der anderen Seite klafft eine Lücke.

So zeigen Bestandsaufnahmen zur internen Kommunikation immer wieder, dass nur in Ausnahmefällen Ziele für Kommunikation bestimmt werden, deren Erreichen anhand von Indikatoren festzustellen ist. Ebenso wenig ist es die Regel, dass direkte Kommunikation (beispielsweise Regel- und andere Besprechungen) und indirekte Kommunikation (beispielsweise Intranetpublikationen) zum selben Thema zeitlich und inhaltlich synchronisiert werden, um die Kommunikationswirkung zu erhöhen. Für den gezielten und effizienten Einsatz kommunikativer Medien wie insbesondere den internen Mail-Verkehr sind immer noch nicht überall Standards etabliert, um die Flut überflüssiger Mails einzudämmen. Und eine systematische, periodisch wiederholte und ganzheitlich angelegte Evaluation von Kommunikationsmaßnahmen innerhalb der Organisation ist sehr rar.

Diese Erfahrungen werden durch internationale Studien zu kommunikationsbezogenen Teilaspekten wie etwa die Produktivitätsstudie von Proudfoot Consulting vom September 2005 bestätigt. Dort fand man heraus, dass bei mehr als 150 beobachteten Besprechungen in 50 Unternehmen kümmerliche zwölf Prozent mit einer klaren Festlegung der nächsten Schritte endeten. Bei fast der Hälfte der Meetings hatten sich die Eingeladenen zur falschen Zeit am falschen Ort versammelt. Und das ist fatal, denn Manager verbringen bis zu 65 Prozent ihrer Zeit in Besprechungen. Wer hat je errechnet, welche Kosten durch mangelhaftes Kommunikationsmanagement verursacht werden? Festzustellen ist: Interne Kommunikation wird nur selten ganzheitlich angegangen und zudem mit deutlich geringerer Professionalität betrieben.

Dort, wo die Führung eines Unternehmens dieses Problem erkannt hat, konnten sehr positive Erfahrungen mit der Anwendung einer aus dem Qualitätsmanagement bekannten Methode gewonnen werden: dem Audit. Unter Bezug auf den sehr ausdifferenzierten Methodenansatz der Qualitätsaudits soll das „Kommunikationsaudit“ als systematische, dialogförmige Untersuchung der Maßnahmen zur Planung, Realisierung und Bewertung interner Kommunikation verstanden werden. Gegenstand des Kommunikationsaudits sind also die Voraussetzungen, Ressourcen, Methoden und konkreten Ergebnisse interner Kommunikation. Um Missverständnissen vorzubeugen: Kommunikationsaudits bewerten nicht unmittelbar „die Kommunikation“, sondern beziehen sich auf das Management von Kommunikation. Beobachtungen und Analysen real ablaufender Kommunikation erfordern andere Methoden wie etwa die der teilnehmenden Beobachtung. Umso besser lassen sich Kommunikationsaudits jedoch nutzen, um Effizienz und Effektivität interner Kommunikation zu verbessern.

Wie seit mehreren Jahren vorliegende Erfahrungen zeigen, bieten Kommunikationsaudits eine ausgezeichnete Möglichkeit, fundierte Erkenntnisse zu den tatsächlichen Konzepten, Ressourcen und Ergebnissen interner Kommunikation zu gewinnen. Mit Kommunikationsaudits gelingt die unmittelbare Erhebung konkreter kommunikativer Wirklichkeit, die sich durchaus von der „Wunschkommunikation“ aus Sicht der Führungskräfte unterscheiden kann. Alarmiert durch negative Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen, durch negative Entwicklungen beim Krankenstand oder gar durch fehlerhafte Prozesse aufgrund mangelhafter Kommunikation, zeigen sich Führungskräfte zunehmend bereit, eine systematische Analyse der Stärken und Schwächen ihrer „Kommunikationslandschaft“ vornehmen zu lassen. Kommunikationsaudits liefern valide, in strukturierten Interviews gewonnene Aussagen zum Reifegrad der internen Kommunikation. Die dialogförmige Struktur des Kommunikationsaudits bietet gegenüber den Erhebungen mittels Fragebogen den wesentlichen Vorteil, dass Antworten des Auditierten hinterfragt und dort, wo geeignet und sinnvoll, durch objektive Nachweise belegt werden können. Damit ergibt sich ein präziseres Bild, das zudem den Vorteil birgt, dass die subjektiven Wahrnehmungen Einzelner mit den Auswertungen und Trends einer Mitarbeiterbefragung kontrastierend verglichen werden können.

Voraussetzung für ein erfolgreiches Kommunikationsaudit ist ein klares, in der Organisation wahrnehmbares Mandat durch die Führung des betreffenden Unternehmens. Denn fälschlicherweise begreifen die zu Auditierenden ein Audit oftmals als persönliche Kontrolle. Diese ungerechtfertigte, gleichwohl verbreitete Auffassung limitiert naturgemäß die Bereitschaft zu offenen Antworten im Auditgespräch. Im Kern geht es bei den Kommunikationsaudits um Fragen wie diese: Existiert eine an definierten Zielen ausgerichtete Kommunikationsstrategie? Ist sie für die Handelnden transparent, und wird sie tatsächlich umgesetzt? Ist die Kommunikationsstrategie mit der übergeordneten Unternehmensstrategie synchronisiert? Welche fachlichen, methodischen und infrastrukturellen Ressourcen stehen für eine wirksame Kommunikation zur Verfügung?

Sind Ziele, Strategien und Planung der internen Kommunikation mit Maßnahmen der Personalentwicklung wie beispielsweise Kommunikationstrainings abgestimmt? Wie wird die Wirksamkeit von Kommunikationsmaßnahmen bewertet und gemessen, wie wird ein Erreichen der definierten Kommunikationsziele festgestellt? Welche Schlüsse werden für weitere Planungen gezogen?

Solche wie die hier exemplarisch aufgeführten Fragen an verschiedene Personengruppen zu richten erlaubt eine multiperspektivische Diagnose zum Reifegrad des internen Kommunikationsmanagements und bietet damit klare Ansatzpunkte für gezielte Verbesserungsmaßnahmen. Dies zeigen konkrete Ergebnisse wie etwa jene, die nach Auswertung der Kommunikationsaudits bei einem großen Logistikunternehmen erzielt wurden: deutlich weniger, aber dafür sehr viel effizientere Besprechungen, verbesserte Koordination der strategischen Planung mit den zugehörigen Kommunikationsmaßnahmen, ein schnellerer Informationsfluss durch straffe und aufeinander abgestimmte Kommunikationsmaßnahmen, verbindliche Einführung stringenter Mail-Konventionen, was zu einer erheblichen Reduzierung des Mail-Aufkommens führte – teilweise konnten die Mail-Eingänge bei einzelnen Führungskräften um rund 30 Prozent reduziert werden -, sowie eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit. Diese Effekte zeigten sich bereits ein halbes Jahr nach Abschluss der Kommunikationsaudits.

Kommunikationsaudits verhelfen zu einer realistischen Analyse der internen Kommunikation, um gezielt Ansätze und konkrete Maßnahmen für systematisches Planen, Steuern, Bewerten und Verbessern interner Kommunikation zu gewinnen. Damit wird die organisationsinterne Kommunikation endlich als zentrale Ressource für den Unternehmenserfolg nutzbar.

Der Autor ist Kommunikationswissenschaftler und leitet conex. Institut für Consulting, Training, Management Support in Bonn.

Kastentext: „Interne Kommunikation wird selten ganzheitlich und mit deutlich geringerer Professionalität betrieben.“

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